Garten

Vom Glück der eigenen Ernte

Ihre Familie das Jahr über mit Bio-Gemüse, Obst und Honig versorgen zu können, ist die Leidenschaft von Signe Schrøder. Daher pflegt sie nördlich von Kopenhagen einen 5500 Quadratmeter großen Garten, nachhaltig und autark

Fotografiert von CHRISTINA KAYSER ONSGAARD/LIVING INSIDE, Geschrieben von MAIKE KNORRE

Wenn Signe Schrøder gefragt wird, ob sie und ihr Mann Mads jedes Wochenende mit Gartenarbeit zubringen, lächelt sie und verneint. „Wir sind jeden Tag so viele Stunden wie möglich draußen. Auch wenn das Wetter schlecht ist und ich am liebsten aufs Sofa plumpsen möchte, nachdem die Kinder ins Bett gebracht sind. Dann will ich eigentlich nur eine kleine Runde durch den Garten drehen und einen kurzen Blick auf das Gemüse werfen. Doch sobald ich meinen Pullover anziehe und raus an die frische Luft trete, spüre ich diese ganz besondere Anziehungskraft und den Drang, wieder loszulegen, bis es dämmert. Das erfüllt mich.“

Jeden Morgen, bevor Signe den Zug nach Kopenhagen nimmt, um in der Regierungskommunikation ihre eigentliche Arbeit zu erledigen, steht sie zum ersten Mal im Garten und versorgt die Hühner und Enten. Das 5500 Quadratmeter große Grundstück liegt in Birkerød auf der dänischen Insel Seeland und ist ihr zweiter Vollzeitberuf. Seit 2013 wohnen die 37-Jährige und Ehemann Mads (39) hier, mittlerweile mit ihren drei Kindern Erika (7), Anton (5) und Alde (1). Jeden Sommer pflanzt das Paar über 25 verschiedene Arten von Gemüse, Beeren, Früchten, Nüssen und Kräutern an, so sind sie das ganze Jahr über versorgt und leben nahezu autark. Sie stellen sogar ihren eigenen Honig her.

GRÜNE LEIDENSCHAFT
„Mich fasziniert, wie aus kleinen Samen so schönes Gemüse wächst“, sagt Signe. Ihren Ursprung nahm diese Faszination in einer kleinen Gartenparzelle, die sie mit ihrer Mutter teilten. Als das Paar die erste eigene Ernte mit nach Hause nahm, fing es an, sich intensiver mit dem Anbau von Gemüse und organischen Lebensmitteln auseinanderzusetzen. „Nachhaltigkeit liegt mir sehr am Herzen. Wir alle tragen Verantwortung für unseren Planeten und unsere Kinder. Dazu gehört auch, genau zu wissen, wo unser Essen herkommt und wie es verarbeitet wurde. Das gibt mir Sicherheit.“

Eigentlich war das Paar auf der Suche nach einem neuen Haus, als sie auf das Grundstück in Birkerød stießen und sich sofort in den verwilderten Garten verliebten. Obwohl ihnen das Wohnhaus aus den 70er-Jahren nicht besonders gefiel, boten sie alles Geld, was sie zusammenkratzen konnten. Bis heute haben sie drinnen kaum etwas verändert, dafür den Garten in eine fruchtbare Oase verwandelt. Heute verbringen sie die meiste Zeit in dem 250 Quadratmeter großen Gemüsegarten, hier wachsen verschiedene Kohlsorten und Wurzelfrüchte, aber auch Mais und Kürbisse. Im Gewächshaus züchtet Signe Melonen, Gurken, Tomaten sowie Paprika, Chilis und alle möglichen Kräutersorten. Besonders stolz ist sie auf ihren Knollensellerie: Das anspruchsvolle Gemüse düngt sie unter anderem mit Eierschalen für eine Extraportion Kalk und bedeckt die freien Stellen im Beet mit Grünschnitt, damit sie nicht austrocknen. 

„Wir sind jeden Tag so viele Stunden wie möglich in unserem Garten. Auch wenn das Wetter schlecht ist und ich am liebsten aufs Sofa plumpsen möchte.“

DER EIGENE WINTERVORRAT
Wenn im Spätsommer der Großteil der Erntearbeit erledigt ist, stehen Signe und Mads während des gesamten Herbstes viele Stunden in der Küche, um das Obst und Gemüse zu verpacken, haltbar zu machen oder weiterzuverarbeiten. Abend für Abend konservieren, entsaften, fermentieren, beizen und gären sie mit viel Geduld und Leidenschaft ihre Erträge. So ist die Vorratskammer über den Winter bestens gefüllt. Aus den Tomaten, die im Sommer nicht gegessen wurden, kochen sie ihren eigenen Ketchup, die pelzigen Quitten verarbeitet Signe am liebsten zu Sirup.

FAMILIENRITUALE
Die Nachmittage verbringt die ganze Familie im Garten, auch wenn die Kinder lieber zwischen den hohen Maispflanzen oder mit den Hühnern spielen, statt ihren Eltern zur Hand zu gehen. Wenn sich am Abend alle um den Tisch versammeln, gibt es frisches Gemüse aus dem eigenen Anbau, „das schmeckt so viel besser und echter als alles, was man kaufen kann. Und die Kinder lieben es, ihnen ist kein Gemüse fremd“, sagt Signe.

Wenn die Kinder im Bett sind und die Sonne über dem nahe gelegenen Sjælsø-See untergeht, verweilen Signe und Mads für einen Moment auf der Terrasse und sprechen über neue Träume und Ideen für ihren Garten. Dann machen sie sich wieder an die Arbeit.

Nachhaltige Tipps für den Gemüsegarten

1.

Es gibt keine Gartenabfälle: Geschnittenes Gras, abgezupfte Blätter und Äste sind wertvoller Kompost und gehören nicht in den Müll. Auf dem Beet verteilt, liefert das Grün – zeug wertvolle Nährstoffe für einen gesunden Boden. Das sieht wild aus? Gut so, ist Absicht.

2.

Den Boden nähren. Achte verstärkt auf die Bodenqualität. Pflanzen kümmern sich um sich selbst, solange die Erde mit genügend Feuchtigkeit versorgt und gesättigt ist.

3.

Vertraue auf die Natur. Ihr Zyklus hält deinen Garten im Gleichgewicht – wenn du es zulässt. Verzichte guten Gewissens vollständig auf künstlichen Dünger und Pflanzenschutzmittel. Die Inhaltsstoffe verschmutzen das Grundwasser, töten Bienen und Insekten und sind ungesund für uns Menschen

4.

Sammle Wasser. Lege dir einen Vorrat für die trockenen Sommermonate an und fange Regenwasser von Dächern und Gewächshäusern in Tonnen und Tanks auf.

5.

Denke an die Artenvielfalt in deinem Garten. Viele verschiedene Blumen, Gemüseund Pflanzensorten sehen nicht nur toll aus, sondern sind auch ein Paradies für Schmetterlinge, Bienen, Insekten und Vögel. Sie alle helfen dir dabei, deinen Garten gesund zu halten. Lade sie ein und bepflanze jede freie Ecke.

6.

Beschütze deine Beete. Decke freie Stellen im Gemüse- oder Kräuterbeet mit Grünschnitt, Stroh oder Reisig ab. Der Boden kann Feuchtigkeit so besser speichern, die Erde bleibt locker und Unkraut hat keine oder kaum eine Chance.

7.

Nach der Gemüseernte ist vor der nächsten Aussaat. Um den Boden bis dahin mit Nährstoffen zu versorgen, helfen Übergangspflanzen: Gründecker wie Buchweizen, Flachs, Skorpi – onkraut und Wicke halten die Erde stabil und gesund.

8.

Sei geduldig mit deinen Pflanzen. Und mit dir: Nicht alles wächst und gedeiht beim ersten Versuch, es gibt keine Garantie für eine gute Ernte. Sei nachsichtig mit dir und der Natur, es wird ein neues Jahr kommen. Und mit ihm eine neue Saison, in der du dein Glück noch einmal versuchen kannst. So ist der Lauf der Dinge eben.

6 x Ernteglück

1.

Insekten als Helfer. Lass dir von Wespen die Arbeit abnehmen. Sie kümmern sich gerne um ungebetene Gäste wie Kohlwürmer, die sich an den Blättern von Rotkohl, Grünkohl oder Wirsing zu schaffen machen. Den Kohl, den Signe in ihrem Garten anbaut, muss sie so weder abdecken noch mit Pflanzenschutzmittel besprühen

2.

Mach Platz. Sobald der Boden im Frühjahr nachts nicht mehr gefriert, ist der optimale Zeitpunkt gekommen, um Hokkaido und andere Kürbissorten zu säen. Sie sind pünktlich zum Herbstanfang erntereif, dann ist die Schale orange gefärbt und die Stängel sind verwelkt. Kürbisse sind nicht schwer anzubauen, alles, was sie benötigen, ist ausreichend Platz. Bei der Aussaat etwa 80 cm Platz lassen.

3.

Gesunder Snack. Für köstliche Apfelchips einfach einen Teil der geernteten Früchte in dünne Scheiben schneiden und bei 60 Grad im Ofen so lange trocknen, bis alle Feuchtigkeit verdampft ist und die Ringe knusprig sind. Schmeckt pur oder in Zimt und Zucker gewendet.

4.

Quittenliebe. Die zottigen und harten Früchte schmecken erst so richtig gut, wenn sie zu Gelee oder Brot verarbeitet sind. Getrocknet und kleingeschnitten eignen sie sich auch hervorragend als Zutat für Tee. Am liebsten macht Signe aus ihren Quitten einen Sirup für Salate und Dressings.

5.

Perfekte Möhren. Um die zu bekommen, hat Signe viel experimentiert. Die besten Ergebnisse erzielt sie, wenn sie zunächst den Boden der Anbaufläche gut auflockert und eine zentimetertiefe Furche zieht, in der sie mittig die Samen platziert. Zwiebeln haben sich als besonders gute Nachbarn für die Karotten herausgestellt: Weil sie unterschiedlich Wurzeln schlagen, stehlen sie sich nicht gegenseitig den Platz. 

6.

Winterlager. Wenn Gemüse wie Knollensellerie, Pastinaken und Karotten geerntet, sortiert und abgebürstet sind, lagern Signe und Mads ihre Auslese in Styroporkisten ein, die sie mit Holzspänen auskleiden. So bleibt das Gemüse frisch und gut geschützt vor Kälte. Kartoffeln und Zwiebeln bewahren sie in Säcken an einem kühlen und frostfreien Ort auf.